Home Office mit Baby

Der Trend geht zum Home Office. Fast jeder Dritte arbeitet zumindest teilweise von Zuhause aus. Ich auch, überwiegend sogar. Meine Frau als Selbstständige genauso. Seit dem Jahreswechsel haben wir noch eine Bürokollegin: unsere Baby-Tochter. Wie ist das Leben - und das Arbeiten - zwischen Wickeltisch, Waschmaschine und Telefonkonferenz? Ein Erfahrungsbereicht über das Home Office mit Baby.
Home Office mit Baby


Sie kam fünf Wochen zu früh, unsere Tochter. Das hat unsere Pläne etwas über den Haufen geworfen. Nix war fertig, die nötigen Windeln Größe XS, eine Wärmelampe und Kleider Größe 44 habe ich aus dem Krankenhaus per Handy bestellt. Genau so rasant ging es dann in den Alltag mit Baby. Die drei Wochen Noturlaub waren gefühlt 'rum, bevor sie begonnen hatten. Seitdem arbeite ich im Home Office mit Baby.

Wochenbett und Frühchen

Klar sind die ersten Wochen hart: Mama braucht selber Hilfe, Töchterchen ist ein 24-Stunden-Klient. Solange ich frei hatte, ging es irgendwie. Dann kam die Arbeit, und ich hatte Angst, mich entscheiden zu müssen: voll im Job, oder voll bei der Familie? Irgendwie ging beides (der Süddeutschen zum Trotz). Sogar recht erfolgreich: die Ergebnisse der Arbeit sprechen für sich, und dass unser Frühchen sich in zwei Monaten mehr als verdoppelt hat auch. Sie ist gesund und munter, meine Frau und ich haben uns nicht gegenseitig erschlagen und haben nicht die Scheidung eingereicht. Allerdings: ein paar Einschnitte waren unvermeidlich.

Der Haushalt 
Noch stapelt sich keine schimmelnde Wäsche im Keller. Die Katze ist nicht ausgewandert, ihre Flohplage erfolgreich bekämpft. Aber der Garten sieht aus wie der Leichen-Fundort im Tatort, verstreute Werkzeuge inklusive. Die Unordnung hat überall merklich zugenommen. Selbst wenn wir beide jede freie Minute investieren, um den Haushalt zu schmeißen: eine Vorzeige-Familie wie die aus der TV-Werbung werden wir nicht mehr.

Andererseits habe ich entdeckt, dass sich Probleme im Job besser lösen lassen, wenn man 5 Minuten Pause macht und den Geschirrspüler ein-, die Waschmaschine ausräumt, kehrt, wischt oder putzt. Das ist ein echter Vorteil im Home Office: die empfohlenen 5 Minuten Pause jede volle Stunde sind quasi unausweichlich. Man arbeitet danach wirklich konzentrierter. 

Schlaf und Kaffee

Ein Dilemma: Ich brauche mehr entweder vom einen oder vom anderen. Aktuell ist nur mehr Kaffee eine Option. Mit ihren neun Wochen ist unsere Tochter gefühlt ständig hungrig. Die Nächte bestehen also aus drei Abschnitten von zwei oder drei Stunden Schlaf, unterbrochen von Windel, Milchhpumpe und Flasche. Ich sehe aus wie zehn Jahre gealtert. Manche Paare teilen sich die Nachtschichten ja auf - einen Tag wacht Mama, einen Tag wacht Papa. Die Option haben wir leider nicht - solange das Stillen nur über den Umweg der Milchpumpe funktioniert, ist jede nächtliche Wartung ein zwei-Personenen-Job. Irgendwann kommt der Tag, wo jedes Baby durchschläft. Im Mai vielleicht. Ich freue mich auf den Frühling.

...und Kekse

Das städnig hungrige Baby steckt an. Der Weg zum Süßigkeiten-Regal ist kurz, und Papa ein kleines bisschen runder, seitdem er Home Office mit Baby macht. Dafür schläft die Kleine um so weicher auf meinem Bauch.

Das Telefon im Home Office mit Baby

Babys brauchen Nähe. Mama braucht ab und zu beide Hände frei. Mit Tragetuch kann ich unsere Tochter tragen, während ich tippe. E-Mails, Kalkulationen, Pläne und Teamchats gehen so ohne weiteres. Aber Telefonieren? Eine Unmöglichkeit. Nachdem die junge Dame mir zum dritten Mal in ein Kundengespräch gequäkt hatte, bin ich dazu übergegangen, sie mir aus Prinzip nur in den ruhigen Phasen vor den Bauch zu binden. Freitag nachmittags, oder in der Mittagszeit.

Übrigens: Robert Kelly ist immer noch ein Vorbild für seine stoische und professionelle Art, mit einer Baby-Unterbrechung umzugehen. So cool muss ich erst noch werden.

Bonuskinder

Von Zeit zu Zeit sind meine beiden ersten Kinder auch zu Bürozeiten zu Gast. Dann bekomme ich meist Gesellschaft in meinem Arbeitszimmer, denn bisher konnte ich das nicht unterbinden. Ich tippe und telefoniere, die Sechsjährige malt, oder erzählt mir aus der Schule. Aus dem Home Office mit Baby wird das Home Office mit Familie. Ich hoffe immer noch, dass meine beiden Großen bald so weit sind, dass sie uns Arbeit abnehmen können. Zum Einkaufen um die Ecke kann ich sie manchmal schicken. Windeln wechseln geht vermutlich noch länger nicht. Hier besteht noch Optimierungsbedarf. Dringend.
Natürlich hat meine Ex-Frau, Muttter der beiden Großen, sich schon beschwert. Ich kümmere mich nicht mehr genug um meine älteren Kinder. Damit tut sie mir einen Gefallen. Wenn ich Selbstzweifel gehabt haben sollte, dass es so ist - spätestens jetzt kann ich sie gut ignorieren.

Die Decke über dem Kopf

  • Geht leider nicht: die Decke über den Kopf ziehen. Einmal habe ich eine Baby-Wartung tatsächlich verschlafen. Wenn während der Arbeitszeit der Krawall ausbricht, die Windel explodiert oder meine Frau nicht genug Hände hat, um sich um alles gleichzeitig zu kümmern, kann ich mich nicht einfach wegducken. Wenn ich nicht gerade ein einem Telefonat feststecke, helfe ich.
  • Geht leider auch nicht: verhindern, dass einem die Decke auf den Kopf fällt. Im Winter fand ich es schwer erträglich, von früh bis spät daheim gefangen zu sein. Zwischen Bett, Arbeitszimmer und Küche. Hinaus in die Kälte wollten wir nicht mit unserem zerbrechlichen Baby. Jetzt wo die Tage langsam länger werden, gehen wir spazieren. Einmal in der Woche fahre ich auch in die Stadt, ins "offizielle" Büro. Aber insgesamt fühle ich mich manchmal etwas gefangen.

Elternzeit

Wie bei anderen Paaren auch war unsere Wahl der Elternzeit-Verteilung von harten wirtschaftlichen Faktoren bestimmt. Das bedingt, dass ich mehr Monate kriege als bei Kind 1 und Kind 2 - als Selbstständige muss meine Frau ihre Kunden bei der Stange halten. Im Sommer gönnen wir uns den Luxus, gemeinsam frei zu haben. Es wird ein kleines Abenteuer, dessen Planung uns die etwas schwierigen ersten Wochen überstehen hilft.
Leider ist das Elternzeitgesetz ein bisschen unfair bei Frühchen: der Mutterschutz verlängert sich quasi nach vorne, zum Geburtszeitraum, aber auf Kosten einer verkürzten Elternzeit. Den vermehrten Pflegeaufwand, den ein Frühchen mit sich bringt, müssen wir in den gleichen 14 Monaten unterbringen, den andere Paare auch haben. 

Fazit: Das Home Office mit Baby konzentriert

Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit habe, Home Office mit Baby zu vereinbaren. Auch wenn ich in der ersten Hälfte nicht genau so viel mit und für unser Kind tun kann wie meine Frau, bin ich doch präsenter und (mindestens wegen des entfallenden Arbeitswegs) mehr für die beiden da. Verglichen mit meinen ersten beiden Kindern hat sich mein Anteil an Pflege und Haushalt entscheidend erhöht. Wir sind als Familie auch glücklicher, und ich fühle mich insgesamt selbstsicherer in der Rolle als Vater. Ich denke, und hoffe, dass mehr Väter und Mütter in Zukunft die Möglichkeit haben werden, Familie und Beruf zu gleichen Teilen zu vereinen.

Bild: lizenzfrei von Pixabay

Kommentare

  1. Den Erfahrungsbericht kann ich sehr gut nachvollziehen...:-)
    LG, Richard & Hugo vom https://www.vatersohn.blog/

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