Handball ohne Tore und Pokale fürs Mitmachen

Kinder sind ehrgeizig, im Sport vor allem. Tore schießen oder werfen ist meinem 8-jährigen fast das Wichtigste. Wenn er gewinnt ist er den Rest des Tages happy. Wenn er verliert müssen wir mit seiner Saulaune leben. Deswegen war ich etwas erstaunt, als die Trainerin der Heimmannschaft vor dem letzten Turnier folgende Ansage machte:
Pokale für alle. Gold für die Sieger.

"Wie ihr wisst zählt nur der Handball. Deswegen werden heute keine Tore gezählt. Und wir möchten auch die Eltern bitten, nicht mitzuzählen."

Diese Worte, gesprochen in der nagelneuen Turnhalle einer Montessori-Schule, kamen allgemein unerwartet.

Pokale für die Teilnahme?

Die Kommentare auf der Elterntribüne waren zurückhaltend, aber belustigt. Wir sind ja daran gewöhnt, dass die Tabelle mal ein halbes Jahr lang nicht geführt wird, oder die Trophäen nach dem Turnier für alle Kinder identisch sind. Aber zumindest gab es immer einen Sieger.

Ein Spiel ist, was man spielt

Für mich persönlich ist das Konzept nicht ungewohnt. Als reger Rollenspieler und Gamer kenne ich die verschiedenen Modi von Spielziel und Spielsinn. Larps haben prinzipiell keine Sieger, und der Spaß kommt durch das Spiel. Klaro sind auch hier diejenigen Regelsysteme weit verbreitet, die irgendwelche quantitativen Werte zählen: Treffer, Skillpoints, Powerlevel.

Viele meiner Lieblingsbrettspiele sind ebenfalls kooperativ und nicht auf Wettbewerb ausgelegt (Pandemie und Maus & Mystik als hervorragende Beispiele). Andere leben davon, den Wettbewerbsgedanken ganz postmodern zu dekonstruieren (Munchkin spielt ganz bewusst mit dem Größer-Stärker-Besser-Drang als Treibfeder von kleinen Spielern). Wieder andere, vor allem online, haben knochenharte Ranglisten, Punktestände, müssen mit Schummeln und Betrug kämpfen. Ich finde das hat alles seine Berechtigung in der Spielwelt; aber es ist wichtig, dass das Spiel zum Modus passt. Kooperatives Schach klappt einfach nicht. Legobauen als Wettbewerb auch nicht.

Und beim Mannschaftssport? Fußball und Handball sind nicht darauf ausgelegt, ohne Zug zum Tor gespielt zu werden. Sie sind in den Regeln so definiert, dass Sieg und NIederlage das zentrale Element sind. Funktioniert das ohne Torwertung?

Die Antwort muss ich schuldig bleiben. Die Jungs und Mädels hatten auch beim Monte-Turnier eine Menge Spaß. Natürlich haben sie ihre Tore selber gezählt, und ihre Eltern hinteher gefragt wer denn jetzt gewonnen habe. Vielleicht nur aus Gewohnheit. Vielleicht weil es ihnen doch irgendwo gefehlt hat.

Darauf könnte auch folgendes hinweisen: Mein Sohn spielt Handball und Fußball, Turniere und Liga, und ich kenne inzwischen jede Turnhalle im Umkreis von 50 km. Lange Zeit war Fußball sein Lieblingssport, der dann aber vom Handball abgelöst wurde. Auf die Frage nach dem Grund (sind es die Freunde, der Trainer, der Open-Air-Faktor?) antwortete mein Ballfreund: "Weil es beim Handball mehr Tore gibt. Bei Fußball bin ich immer nur Verteideiger, da kann ich nie ein Tor schießen."

Wie seht ihr das? Gibt es unter meinen Lesen einen (Sport-)pädagogen, der mir den Hintergrund der Debatte erklären kann?

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