Kämpfen- muss das sein? Oder: Ein Schlag ist auch eine Berührung

Kleiner Junge, großes Schwert
Heute, beim Besuch eines beliebten Wildtierparks, haute ein mir unbekanntes dreijähriges Kind mich auf den Schenkel. Auf meinen freundlich tadelnden Kommentar, dass das nicht nett sei, grinste es und meinte "Nein." Seine Eltern haben den Autausch wohl verpasst, sonst hätten sie vielleicht eingegriffen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das langhaarige, undefiniert gekleidete Kind ein Junge war. Was denn auch sonst?

Ich habe bekanntermaßen selber einen Sohn. Mein Bruder mehrere (beim letzten Mal zählte ich zwischen zwei und vier. Schwer zu sagen in dem Gewusel.) Alle sind sie beigeisterte Prügler (oder waren es zumindest bis sie in die Pubertät kamen). Ihre Freunde auch, und ein paar weniger Freundinnen ebenso. Sollte ich das nicht so locker sehen? Und wie steht es um die Bewaffnung? Ein triviales Thema, oder vielmehr ein Grund zur Sorge?

Die Frage, womit ein Kind zuhaut, ist durchaus entscheidend. Spielzeugwaffen haben himmelweite Unterschiede in der Sicherheit - ein paar grundlegende Empfehlungen hier. Nachdem Deutschland keine Hockey- und keine Baseballnation ist, können wir durchaus auf stumpfe Hiebwaffen in den Händen unseres Nachwuchses verzichten (und die Zeit des Tennis ist ja auch schon eine Weile lang her). Also lieber die blanke Faust als Duellinstrument?

Mein oben erwähnter Bruder, der den Schwarzen Gürtel in Karate und Aikido hat und Jugendkurse gibt, gebaut ist wie Adonis, nicht raucht, Marathons läuft... schon klar, wie man ihn sich vorzustellen hat? Anyway. Jener Bruder hat ein Ritual mit seiner Rasselbande: Jeden Abend, nicht zu nah an der Bettgehzeit, dürfen sich die Brüder mit ihrem Vater raufen bis einer keine Lust mehr hat oder die Mutter spielverdirbt. Das Spektakel ist durchaus sehenswert: ein Meister der Kampfkunst in hektischem Handgemenge mit dem geliebten Nachwuchs, der natürlich wenig Hemmungen hat, wohin und wie stark er tritt, boxt oder hebelt. Der Sensei hat den Job, Verletzungen zu vermeiden und die ungestüme Kraft der Jungs so umzulenken, dass sie weder ihm, sich selbst oder einem anderen der Kombattanten schadet. Ein paar Basics kennt sicher jeder Vater: Kinn hoch, um Kopfstößen zu entgehen. Enge Körperbindung, um die Wucht der Schläge zu minimieren. Muskeln hinhalten, wenn man getroffen wird, nicht Knochen oder Weichteile.

Hit me baby one more time

Klingt furchtbar, nicht? Ich kann gut verstehen, wenn manche (vor allem "Manche" statt "Mancher") das befremdlich findet. Aber ich glaube, es ist ein (typisch männlicher) Weg, Körperlichkeit zu erfahren. Auch in der Dimension, die man eher mit der weiblichen Körperlichkeit identifiziert: der Berührung als Zeichen der Zuneigung, der sozialen Pflege (die Primatologen unter uns kennen das Grooming. Nicht zu verwechseln mit Cyber-Grooming.) Ich kann natürlich nur aus dem eigenen Empfinden sprechen, aber mir scheint, dass mein Fünfjähriger aus verschiedenen Motivationen heraus mit mir das raufen anfängt, etwa indem er mich etwas unvermittelt haut oder anrempelt (siehe auch den Jungen aus dem Wildpark oben):

a) Aufmerksamkeit. "Papa, ich bin auch hier. Schau mich an!"
b) Spieltrieb. "Mit ist langweilig. Willst Du kämpfen?"
c) Schmusebedarf: "Papa, gut dass Du da bist."
d) Zorn: "Blöder Papa. Das hast Du davon!"

Eine Zeit lang hat das mit dem Hauen überhand genommen, und ich musste meinem geliebten Nahkämpfer Einhalt gebieten. Das scheint gut geklappt zu haben. Trotzdem achte ich immer noch darauf, aus welchem Grund er mich dann und wann angreift, und versuche entsprechend zu reagieren.

... und zog sein Schwert und hieb ihm ein Ohr ab

Was ist aber nun mit Waffen? Selbst ein harmloser Stupser mit einer harten Spitze kann theoretisch schlimme Verletzungen hervorrufen. Gerade ein Kind kann das nicht so ganz einschätzen (als Larper macht man sich aber Gedanken dazu.) Verbieten kann man einem Jungen sein Schwert aber kaum. Es ist einerseits ein wissenschaftlich geadeltes Lieblingsspielzeug, zum anderen finden sich Schwerter überall. Sie wachsen geradezu an Bäumen.

Sogar der Kindergarten ist nicht frei davon. Wir hatten vor einem Monat eine Platzwunde an der Stirn meines Sohnes zu versorgen, die angeblich "aus Versehen" passiert war. Mit der Kante einer metallenen Schaufel, geführt von einem seiner besten Freunde. Daraus ergab sich auch die Erklärung "aus Versehen": nicht etwa, weil die beiden harmlos im Sandkasten gebuddelt hatten und mein Brainbug etwas zu achtlos den Kopf in die Schippbahn brachte. Nein, die Jungs waren sehr wohl in einen Kamp verwickelt, und die Schaufel war durchaus eine Waffe. Nur eben: sie waren "im selben Team", und der Schlag ungewollt. Friendly Fire also.

Was also tun? Ich habe den Widerstand aufgegeben. Das Raufen ist gut und wichtig, und es macht mir sogar Spaß, mich mit meinem Sohn auszutoben. Was die Schwerter angeht, versuche ich die schlimmsten Auswüchse zu unterbinden (Knüppel mit Nägeln drin, Küchenmesser...), verlasse mich darauf, dass ich als Schaumstoffschwertkämpfer meine Weichteile zu schützen weiß und drücke ansonsten die Daumen, dass diese Phase beim Sohnemann glimpflich ausgeht. Wobei gelegentliche Besuche in der Notaufnahme noch als "glimpflich" gelten, wenn außer kleinen Narben nichts bleibt. Es ist ja nicht so, dass Kinder sich nicht auf erfindungsreichere Art und Weise umbringen können.

Was denkt Mama Mia dazu? Hat sie die Flinte noch nicht ins Korn geworfen? Ihr Blogpost zu diesem Kontrabloggen-Thema ist heute hier erschienen: http://mamamia-babyblog.blogspot.de/ 

Und was denkt eine Mutter zu dem Thema?
Siehe mama mia dazu: Teil 3 von unserem "kontrabloggen"

Und ein anderer Mitblogger, petiba, hatte schon letzten Monat dazu gepostet: http://kind-gerecht.jimdo.com/2012/10/02/kinder-und-waffen/ und der kindgerechtblog vor zwei Wochen: http://kindgerechtblog.wordpress.com/2012/10/19/kinder-und-waffen-kontrablogging/ Alles lesenswerte Gedanken zu unserem Thema.


Bilder: von Memories_keepers (changed) und von qwrrty

Kommentare

  1. Oh, ein toller Post. Endlich kann ich auch mal meinen wissenschaftlichen Anspruch demonstrieren und dir insofern Recht geben, als die Art der Waffe in der Tat bei der Bewertung berücksichtigt werden muss. Denn danach differenziert ja auch das Strafgesetzbuch zwischen einfacher und gefährlicher Körperverletzung. Aber hoffen wir einfach mal, dass die Raufereien unserer Kinder in den Kinderschuhen stecken bleiben und niemals strafrechtlich relevant werden!
    Einen Besuch bei deinem Bruder stelle ich mir übrigens sehr witzig vor, wenn auch es so klingt, als sollte man das Haus vorsichshalber nicht ohne Waffen betreten :-))

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  2. spannendes Kontrablog! und wie immer sehr gut....gar nicht so einfach sich für ein Blog zu entscheiden. Vielleicht ist es wirklich wichtig, dass es die weibliche und die männliche Seite hierzu gibt.

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  3. So als Ergänzung ein sehr gut gemachtes Video zu einem "Fighting" Baby: http://youtu.be/1oHWvFrpocY

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