Die USA kämpfen gegen dicke Kinder

...oder vielmehr, kämpfen für weniger Dicke unter den Kindern. Michelle Obama hat sich der Initiative "Let's move" angenommen, die durch verbesserte Schulmahlzeiten und Aufklärung über gesunde Lebensweise dazu beitragen soll, dass der Anteil von 17 Prozent übergewichtiger Kinder gesenkt wird.Food Fight! von Kevin N. Murphy
Die USA sind ein debattierfreudiges und leidenschaftliches Land, und so ist dieses idiotensichere Thema ein echtes Politikum. Die Rechte warnt vor staatlicher Bevormundung und hält den liberalen Standard hoch, das der Staat kein Mandat hat, den Leuten ins Essen oder die Erziehung reinzureden. Die Linke führt die gewohnten Argumente ins Feld, die Einsparungen im Gesundheitswesen etwa.
Auf der Suche nach alternativen Strategien zum hehren Ziel der Übergewichtsreduzierung hatte das Magazin Slate im Frühjahr 2011 eine Social Media Initiative ins Leben gerufen, in der neue und alte Ideen eingebracht und bewertet werden sollen, wie man dem Problemfeld entgegen wirken kann.
Die Ergebnisse finden sich hier, und sind ganz einsichtig: die Lebensmittelindustrie härter rannehmen, damit sie nicht mehr so viel Junkfood vertickt, den Kindern Selbstbeherrschung vermitteln, ein Rundumschlag von Bildungs-, Sport- und Werbungsinitiativen, Essensmarken für Obst und Gemüse für Einkommensschwache Familien, und "neue kulturelle Normen" zur Essenszeit und den Umständen. Den Leser gefällt auch das Mantra "Spiel statt Sport", ein Ende der Subventionen für Fructosesirup aus Mais, mehr Fuß- und Fahrradwege.
Was mir bei dabei klar geworden ist: gesunde Kinder sind ein Luxusgut, das Geld kostet (Bio ist teurer als MacDonalds), Wissen voraussetzt (ich glaube ich könnte ein Buch schreiben zu dem Thema, so viel Studien habe ich gewälzt und Diskussionen geführt. Und ohne Abi hätte ich mich meist schwer getan, die Zusammenhänge zu verstehen) und vor allem Zeit frisst. Eine Pizza in den Ofen schieben dauert nicht lang, einen Salat schneiden erheblich. Das klingt nach einer Kleinigkeit, aber es summiert sich. Vollzeitarbeitende Eltern haben keine freien 5 Minuten am Tag, da fallen diese Zeiten ins Gewicht.
Ganz zu schweigen von der Bewegung. Ich kann meinen Dreijährigen nicht einfach zum Spielen raus schicken. Selbst wenn er im Wohnzimmer tobt muss ich aufpassen (weil ihm mehr Unsinn einfällt als ich voraussehen kann - und ich bin Fantasyautor!). Wie viel Zeit kann ich dafür aufbringen, ihn zum Spielplatz zu nehmen und dort beim Toben mit Freunden zu beobachten. Nicht arg viel. Aber nötig wäre es.
Und nachdem Zeit zu Haben wirklich schwierig ist, und Jedermann sie einzusparen versucht, und wir alle faul sind, deshalb habe ich den Verdacht das einer der Hauptgründe, warum sich viele Eltern (US-Amerikaner und andere) gegen staatliche Steurungsmaßnahmen in die Gesundheit der Kinder wehren, weil sie selber ein schlechtes Gewissen haben: "Wenn ich es schon nicht so gut mache wie ich könnte, dann ist das meine eigene Wahl. Da kann der Staat nix gegen wollen. Und ich verbitte mir den bloßen Versuch!"
Hierzulande ist die Standardabwehr vermutlich eine andere: "Die Medien- und Marketingmacht der US-Konzerne ist so übermächtig. Wie kann ich meinem Kind Obst schmackhaft machen, wenn es überall MacDonaldswerbung sieht? Da müssen Regeln her!"
Mag sein. Ich glaube ja an die Macht der Aufklärung und, ja, auch Werbung. Aber andererseits weiß ich auch nicht, warum mein Sohn seit ein paar Wochen auf seinen Bauch guckt und meint "ich bin sooooo fett!". Hätten wir ihm keine Barbie zu Weihnachten schenken dürfen?
Die Medienmacht wirkt nämlich in beide Richtungen.

Bild "Sunning" von Alan Light

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