"Wir haben Scharlach" - aber der Kiga ist nicht schuld

Die Pinnwand im KiGa ist jeden morgen spannend. Mal hängen Papa-Kind-Camping-Angebote da, mal Einkaufslisten ("Wer bringt was für die Quiche Lorraine zur Frankreichwoche?"), mal Steckbriefe neuer KiGärntnerinnen. Doch die wichtigste - und erschreckendste Nachricht - hängt gleich an der EIngangstür, auf eines großes Blatt Papier mit rotem Edding geschrieben: "Wir haben [Name der Krankheit/des Parasiten] in der Einrichtung".

Bisher habe ich mit Bangen darauf gewartet, dass dieser Hiobsbotschaft die unangenehmen Konsequenzen folgen: erst durchwachte Nächte mit fiebrigem Kind, dann selber flachliegen. Es hat mich auch dazu gebracht, meine Eltern nach der Liste der Kinderkrankheiten zu fragen, die ich schon "durch" habe. Windpocken: check. Scharlach: ungewiss. Gürtelrose: check.

Oder aber der KiGa wird geschlossen und wir müssen uns eine Woche lang nach Vertretung für die Betreuung umschauen. Ganz toll. Ich hab eigentlich besseres mit meinem Jahresurlaub vor. Aber es muss wohl sein: In der Käfergruppe krabbelt ein Bazillus, also wird auch die unsere Mäusegruppe zugemacht, um die Verbreitung zu stoppen.

Das scheint aber unnötig. Eine Gruppe von Forschern um die Pennsylvania H1N1 working group hat eine Echtzeit-Analyse eines H1N1-Ausbruches erstellt. Sie verfolgten die tägliche Entwicklung der Erkrankungen von Schulkindern einer Schuler samt aller Haushaltsmitglieder. Dabei zeigte sich, dass das höchste Ansteckungsrisiko nicht davon ausgeht, wer mit wem in einer Klasse ist, wer neben wem sitzt oder ob sich in der Nachbarklasse die Krankheitsfälle häufen. Viel entscheidender war das Geschlecht - der Virus verbreitet sich nämlich von Freund zu Freund, Freundin zu Freundin, also vermutlich über die Spielpartnerschaft. Die Schließung der Schule am 18. Tag der Epidemie machte deshalb keinen Unterschied in der Ansteckungsrate.

Die Studie (hier zusammengefasst in der New York Times) gibt auch Grund zur Hoffnung. Eltern steckten sich selten an - nur etwa jeder fünfte, weniger als halb so häufig wie Kinder. Es waren kaum Ansteckungen über Jahrgangsstufen hinweg zu beobachten (was wohl im KiGa nicht ganz so sein wird, hier sitzen die verschiedenen Altersgruppen ja immer noch in einem Raum und spielen). wischen 6 und 12 Jahren lag die Erkrankungsrate bei 38 %, darüber bei 23 %, und nurmehr 13 % bei Erwachsenen.

Also: das nächste Mal zeige ich unseren KiGa-Verantwortlichen (die ehrlich gesagt ziemlich hart im Nehmen sind und nicht leichtfertig schließen) diesen Artikel und zitiere Autor Dr. Simon Cauchemez: "...obwohl gsundheitliche Vorteile erwartet werden können (...) ist [die Schließung] mit hohen wirtschaftlichen, sozialen und schulischen Kosten verbunden" (although health benefits can be expected (...), [the intervention] is associated with high economic, social and educational costs).

Der Mann meint meinen Urlaub. Und da verstehe ich keinen Spaß!

Foto von scottpartee

Siehe auch:

Die Rote oder die Blaue Pille für das Kind?

und

Steck's dir in die Nase, sagt der TÜV

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