Nivea trollt uns zu Weihnachten

Viele Väter sind irritiert über den Nive-Weihnachtsspot. Sehr deutlich zeigt der die Adventsvorbereitungen einer Familie, die ein deutliches vaterförmiges Loch ausweist. Es gibt einen "Onkel" (und täusche ich mich oder bringt der junge Sprecher es fertig, hier Luft-Anführungsstriche zu intonieren?), es gibt einen kopflosen Mann, der am Haus vorbei läuft es gibt Oma und Opa. Dem Kind gehts prima, es ist wunschlos glücklich. Ist das Grund zur Aufregung? Ich denke, man kann Nivea abscheuliche emotionelle Manipulation vorwerfen - aber nicht erst seit "Weihnachten", und nicht nur an Vätern.

Drei Punkte vorweg: 

Nivea macht hier nichts aus versehen. Jede Sekunde hier wurde bestimmt stundenlang von Marketing- und Werbeverantwortlichen diskutiert. Jedes Argument empörter Väter wurde vorhergesehen.
Es ist auch kein Zufall, dass der Vater in der Geschichte fehlt, der Spot macht das mehr als deutlich: der Fokus auf den "Onkel" zum einen, dann die gerade neckische Ankündigung "Aber am allermeisten freue ich mich auf [Kunstpause]", gefolgt von "Oma und Opa".
Nivea will auch nicht Politik machen. Eine Firma hat nur einen Zweck; Geld verdienen. Dieser Spot dient nur dem, nichts anderem (und sei es auch indirekt über gesteigerte Aufmerksamkeit.).

Was also soll das? Folgt das Happy End mit Papa im nächsten Spot, und die Firma grinst uns an und meint "War doch nur ein Spaß"? Also eine Aufregungs-Aktion um virales Marketing zu betreiben? Möglich, aber wenn dem so ist, dann ist es eine verlogene Kiste. Dieser Spot macht so deutlich wie es geht, dass Kind uns Mutter zu zweit froh und glücklich sind. Der Vater fehlt nicht. Jeder Spot, der im nächsten Akt anderes erzählt, ist ein Akt der Verlogenheit. Die Firma hat eine Aussage getroffen, von der sie nicht mehr weg kann. Sie muss sich auch keine Sorgen wegen der Reaktion machen. Die einzigen, die sich genügend empören um etwa einen Boykott zu fordern, sind Männern. Die dürften ungefähr 2 Prozent der kaufentscheidenden Zielgruppen ausmachen. Lasst sie streiken, werden sich die Werbefachleute gesagt haben. Juckt uns nicht. Die EInkaufsliste schreibt immer noch Mama.

Aber ist das Dargestellte denn so schlimm? Alleinerziehende Eltern (Mütter oder Väter) müssen sich für nichts schämen. Sie sind zunehmend die Regel. Sie lieben und kümmern sich um ihre Kinder kein Stück weniger. Der kleine Junge hier hat völlig Recht, sich zu freuen, denn offenbar lebt er in einem Märchenland. Ich kenne kein Kind, dass so fleckenfrei bleibt. In einer so aufgeräumten Wohnung. Mit so gut angezogenen Leuten ohne Ringe unter den Augen. In einer so toll eingerichteten Wohnung. Wahrscheinlich sind das gar keine echten Menschen, sondern getarnte Aliens. Wer weiß schon, was bei denen normal ist. Vielleicht vermehren die sich durch Zellteilung und brauchen gar keine Eltern.

Also, kurzes Zwischenfazit. 

Ja, Nivea pöbelt rum und tritt einigen Männern auf den Schlips. Ja, das ist Absicht. Nein, im Grunde behauptet die Firma nichts Schlimmes. Trotzdem fette Minuspunkte für manipulatives, unehrliches Verhalten.

Das ist bei denen nichts Neues. Den Vogel abgeschossen haben sie meiner Meinung nach im April zum Muttertag. "Mama" heißt ein Spot, der ein identisches blondes Ich-Erzähler-Kind zeigt, dass aus dem Alltag mit der Mutter erzählt. Auch hier kein Vater in Sicht, was aber im Rahmen des Themas völlig OK ist. Der Spot ist unglaublich gut gemacht. Wem hier nicht das Wasser in die Augen schießt, der hat nie Kinder gehabt. Jedes Register des Beschützerinstinkts wird gezogen, jede unserer Gefühle unserem Kind gegenüber ausgenutzt.

Und das ist die echte Schweinerei. Wieso erlauben wir es einer Firma, diese Emotionen (die teils hormonell bestimmt sind und die entscheidend sind für gute Eltern und glückliche Kinder) so auszunutzen? Wie erwähnt: der einzige Daseinszweck der Firma ist es, Geld zu verdienen (und daran ist erstmal nichts falsch). Schön. Aber nicht auf so eine dreckige Art und Weise. Wenn uns ein Mensch emotional so ausnutzen würde, wir würden ihm einen Tritt zur Tür hinaus geben (was vielleicht zur Alleinerziehenden von oben führt). Nivea hat nichts anderes verdient.
Ach, und so nebenbei: Nivea ist Teil der Beiersdorf AG, deren zweites Standbein Tesa ist und die zu großen Teilen im Besitz von Tchibo ist. Just sayin', falls sich jemand genug empört um zu boykottieren.

Kommentare

  1. Klasse, dass auch Du zum Weihnachtswerbespot von Nivea "Weihnachten ohne Vater - für Nivea das Schönste" geschrieben hast. Auf Nivea, Tesa, Tschibo & deren andere Produkte kann ich gut verzichten. Doch die Frage ist, ob es eine für ganz Beiersdorf AG typische Grundhaltung ist. Klar ist auf alle Fälle, dass die Produktmanagerin (einen Mann, der so einen männerverachtenden Spot durchwinkt, kann ich mir nur schwer vorstellen) ihren Stuhl für eine Person mit Verantwortungsbewußtsein freimachen sollte und dann mit ihrer liebgewonnen Startup-Agentur auf Schmusekurs mit Alice Schwarzer und EMMA gehen kann, wie ihr beliebt.

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  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  3. Aufruf !!!

    Wir bitten alle Mitmenschen, die genauso über den Nivea-Werbespot erbost sind, sich mit uns zu solidarisieren und ihren Protest über den kinderfeindlichen, väterfeindlichen und familienfeindlichen Inhalt der Fa. Nivea auszulassen.

    Ich stelle mir den Aufschrei vor, wenn der Werbespot anstatt mit der Mutter und dem "Onkel" mit einem Vater und einer "Tante" gedreht worden wäre.

    Die mütterliche Oma und der mütterliche Opa wären auch, so wie die Mutter selbst ausgegrenzt, bzw. aus dem Spot "entsorgt" worden. Wie wäre das denn, liebe Fa. Beiersdorf / Nivea ??

    Na ja, aber da kann ja jeder selbst entscheiden und agieren.

    Hier die Kontaktdaten für den Protest, wenn ihr genauso denkt wir wir....

    monaelmansouri@gmail.com

    nivea@beiersdorf.com

    dann noch die Möglichkeit zum Einspruch beim Deutschen Werberat unter

    http://www.werberat.de/beschwerdeformular

    das Video findet ihr bei Youtube unter (kann man kommentieren):

    http://www.facebook.com/l.php?u=http%3A%2F%2Fbit.ly%2FNIVEA_Weihnachten&h=2AQEYVQYE

    Trennungseltern-Initiative

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  4. Jochen, ich hoffe du bist mir nicht böse, dass ich deinen Kommentar geblockt habe. Ich fürchte sonst Post vom Anwalt. Du kannst den Inhalt gerne wieder einstellen, aber dann bitte ohne das A-Wort. Viele Grüße, rocktpapa

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  5. Liebes Nivea Marketing-Team!
    Wenn Sie meinen, Familie, Weihnachten ginge auch ohne Vater, meine ich, Körperpflege geht auch ohne Beiersdorf. Ich war echter Fan von Tesa, Nivea. Mein Bad war quasi blau- weiss!
    Sie haben gerade eine treuen Kunden nach 30 Jahren verloren- und ich werde meinen Protest gegen Ihre Anti- FamilienBotschaft viral verbreiten.
    Kennen Sie ...? Noch nicht?
    Aber bald. Wir Männer sind die Hälfte Ihrer zahlenden Zielgruppe.
    http://m.rp-online.de/digitales/internet/youtube-hit-shitstorm-gegen-niveas-weihnachts-werbung-aid-1.3908665

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  6. Ich finde die Aufregung echt übertrieben. Fast jede fünfte Mutter in Deutschland ist alleinerziehend. In über zweieinhalb Millionen Familien fehlt der Vater. Das ist Realität, auch das sind Familien. Warum soll in der Werbung immer nur der traditionelle Klassiker "Vater-Mutter-Kind" eine Rolle spielen dürfen? Ich finde es modern und fortschrittlich von Nivea, dass sie nicht nur auf heile Welt machen, sondern auch mal andere Lebenswirklichkeiten als völlig normal darstellen. Und dieser Emotionen-Aufreger zieht doch auch nicht. Natürlich zielt Werbung auf Emotionen - immer. Das ist der Kern von Werbung. Man kann doch den Werbeleuten von Nivea jetzt nicht vorwerfen, dass sie ihren Job offenbar besonders gut gemacht haben.

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  7. Hi Anonym,
    "Der Kern von Werbung" - nun, ich widerspreche. Emotionalisierung in der Werbung ist nicht das einzige Mittel, das sie hat, und wie jedes kann es fehlbenutzt werden. So wie hier. Man kann es ihnen vorwerfen, und das tue ich, wenn sie des Geldes wegen so ruppig mit den Gefühlen ihrer Mitmenschen umgehen - zumal es hier eben der Elterninstinkt ist, der besonders schützenswert ist.

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  8. Annette_Dresden29. Mai 2014 um 23:00

    Anscheinend haben sich Mama und Papa wieder vertragen, das zeigt zumindest der Vatertags-Spot von Nivea mit gleicher Frau und Kind.

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    1. Danke für den Hinweis! Ich muss gleich mal überlegen, ob das einen eigene Post wert ist.

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  9. NIVEA hat hier eine absolute Spitzen-Story in drei Akten erzählt, wie es sie im "Content-Marketing" noch nicht gab! Hab die Details hier zusammengefasst: http://mizine.de/marketing/nivea-hat-sich-neulich-angeblich-einen-faux-pas-geleistet-dabei-war-das-das-geilste-contentmarketing-ueberhaupt/

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    1. Ich bin wie geschrieben sehr anderer Meinung - siehe auch mein Kommentar in deinem Blog (http://mizine.de/marketing/nivea-hat-sich-neulich-angeblich-einen-faux-pas-geleistet-dabei-war-das-das-geilste-contentmarketing-ueberhaupt/#comment-385862). Verschiedene Welten, die hier aufeinander prallen? VerkaufeVerkaufeVerkaufe vs. Eltern?

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