Stur sein ist besser als schlau sein

Für meinen Brainbug steht jetzt die Vorschule an. Wieder eine Stufe auf dem Weg zum Ernst des Lebens (der also, wie man sieht, im ersten Stock wohnt.) Ich bin mir sicher, dass es ihm leicht fallen wird - wie so ziemlich jedes andere Kind ist der das schlauste Kind der Welt. Etwas bedröppelt habe ich deswegen heute einen Artikel gelesen, der eine andere Charaktereigenschaft als wichtiger für den Erfolg identifiziert, und der zudem eine denkwürdige Aussage über Intelligenztests macht: sie messen offenbar mehr die Motivation denn die Intelligenz. Oh-oh, mir schwant Übles, wenn ich an die täglichen, ach was, stündlichen Dramen denke, unseren Erstgeborenen dazu zu bringen irgendetwas zu machen, wozu er grad keine Lust hat. Das sieht böse aus...

Der Grund für mein Kopfweh sind M&Ms. Zwei (ältere) Studien haben die leckeren kleinen Dinger als Motiviation für fünf- bis siebenjährige bei Intelligenztests verwendet. Das Ergebnis: die Ergebnisse von sehr schlauen und normal schlauen Kindern waren unverändert. Aber unterdurchschnittlich schlaue Kinder konnten ihre Leistungen, so motiviert, erheblich verbessern - sie schlossen zum Durchschnitt auf.

Woran liegt es? Sind schlaue Kinder einfach nur hochmotiviert, selbst sinnlose Tests besser zu machen? Oder sind die vermeintlich dummen Kinder einfach nur schlau genug zu wissen, wenn es nicht drauf ankommt, und strengen sich deswegen nicht besonders an?

Die Antwort, den Paul Tough im oben erwähnten Artikel gibt, und die mir so die Laune verdorben hat, ist zweigestalt. Sie basiert auf einer Langzeituntersuchung eines völlig blödsinnigen Tests, einer Suchen-und-Vergleichen Aufgabe, wie sie in den dümmsten Jobs leider immer wieder mal vorkommt. Jeder von uns hat sicher schon mal zwei Dokumente, zwei Zahlreihen oder etwas ähnliches auf Abweichungen prüfen müssen. Langweilig, nicht anspruchsvoll, immer wieder unverzichtbar im Job.

Zwei Gruppen von Leuten mussten diesen Test machen: den einen, Studenten zumeist, war das Ergebnis egal. Sie waren Teil einer Studie, die keine Auswirkungen auf ihre Karriere hatte. Die anderen, Rekruten für die Armee, waren hoch motiviert: ihr Ergebnis entschied, ob sie in die Streitkräfte aufgenommen wurden oder nicht (so am Rande: hier stellt sich imho eine ganz andere Intelligenzfrage, aber ignorieren wir das). Nicht überraschend: die Rekruten waren besser im Test. Bei einem anderen Test der allgemeinen Intelligent waren die Studenten besser.

Spannend wurde es aber 20 Jahre später: die Studenten waren im Berufsleben angekommen, und ihr Erfolg wurde mit ihren Testergebnissen bei der Idioten-Aufgabe und dem Intelligenztest verglichen. Es zeigte sich, dass der unwichtige, langweilige Test ihren beruflichen Erfolg genau so stark voraussagte wie der Intelligenztest. Mit anderen Worten: diejenigen, die einen sinnlosen Test, eine nutzlose Aufgabe besser erledigen konnten, bekamen besser bezahlte Jobs.

Warum? Man kann ein paar Vermutungen anstellen über die Eigenschaften, die in unserem Gesellschaftssystem hoch bewertet werden. Oder, nicht weniger naheliegend: jeder von uns hat einen Turbo-Knopf im Hirn, den wir umlegen können. Bei vielen bedarf es dazu besonderer Motivation. Ein paar können das auf Wunsch, und diejenigen können ihre Leistung besser in Arbeit stecken, die vielleicht abstrakte Vorteile bringt, aber auf den ersten Blick einfach nur nervig ist (die jährliche Steuererklärung kommt mir in den Sinn. Jedesmal genug Geld für den Urlaub, und jedesmal eine Aufgabe, die ich hinauszögere bis zum letzten Stichtag, wenn der nette Beamte der StBearbSt. schon böse Briefe schickt).

Sysiphus schlägt Einstein. Was für eine traurige Welt, in der wir leben.

Bild: wisze

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