Bilingual: eine Art Turboknopf im Gehirn?

Haben zweisprachige Kinder einen Bonus? Abgesehen davon, dass sie eines Tages mal ihr Bier in zwei verschiedenen Ländern bestellen können. Es war lange Zeit umstritten, welche Vorteile (früher Lernen fällt leichter) und Nachteile (insgesamt späterer Spracherwerb) es hat. Mittlerweile sind sich eigentlich alle Experten einig, dass die Vorteile überwiegen. Einen netten Überblick zum Stand der Forschung liefert ein Artikel "Hearing Bilingual: How Babies Sort Out Language" in der New York Times.

Die meiste Forschung passiert heute beim Vergleich von ein- und mehrsprachigen Kindern per Gehirn-scan, während die Babys ihre Mutersprache/n oder unbekannte Sprachen zu hören bekommen. Manche Studien schauen sich die gleichen Kinder noch einmal nach einigen Monaten an, und untersuchen ihre Gehirnaktivität noch einmal unter diesen Voraussetzungen.

Es zeigt sich, dass einsprachige Kinder im Alter von 6 Monaten verschiedene Sprachen unterscheiden können. Sie beginnen aber im Alter von 10 bis 12 Monaten, Fremdsprachen sozusagen auszublenden. Ihr Gehirn hat sich auf die eine Sprache als "DIE Sprache" festgelegt. Mehrsprachige Kinder dagegen unterscheiden die Sprachen mit 6 Monaten noch nicht, lernen diese Fähigkeit aber bis zum 12. Monat dazu. Sie bleiben sozusagen offen für fremde Spracheindrücke. Das ist eine anstrengende Hirnleistung, die sich das inherent faule Gehirn gerne spart, wenn es kann - so etwa bei den einsprachigen Kindern.

Auch die Gehirne Erwachsener sind gerne faul, und das kann ein Nachteil sein. Es zeigt sich, dass zweisprachig lebende Menschen (die also kognitiv gefordert sind) später Symptome einer Alzheimer-Krankheit zeigen als einsprachige. Sie sind kognitiv leistungsfähiger, so die Annahme, und können die frühen Schäden der Krankheit besser kompensieren. Das ist mir ein Trost, wenn ich nach einem Tag Englisch-Deutschen Kauderwelschs mit meinem Sohn Kopfweh habe.

Ein eindrucksvolles Ergebnis aus der Kinderforschung zeigte sich in einem Experiment, bei dem Kindern von 4 und 8 Monaten Alter stumme Videoaufnahmen von sprechenden Erwachsenen gezeigt wurden. Die Erwachsenen sprachen einmal in der/n Muttersprache/n der Kinder, einmal in einer Fremdsprache. Erstaunlicherweise konnten die jüngeren Kinder Unterschiede erkennen, bei den älteren aber waren nur noch die zweisprachigen Kinder dazu in der Lage. Lippenlesen in fremden Sprachen? Babys sind manchmal beängstigend intelligent.

Das Killer-Argument für die zweisprachige Entwicklung ist aber, dass sie offenbar die Fähigkeit zur Logik und Problemlösung fördert. Das ist eine gute Nachricht für alle, die der Meinung sind, dass die in Deutschland lebenden Ausländer nicht gut genug integriert sind. Wenn ihre Kinder tatsächlich einen Vorsprung in der grauen Masse haben, dann werden sie auf Dauer bessere Chancen im Beruf haben und mehr verdienen. Geld und Erfolg aber sind die größten Gleichmacher unter den Menschen. Wir müssen nur ein paar Generationen warten.

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